Wie allgemeingültige Wissenschaft zu einer massiven, öffentlichen Gesundheitskrise führte

Jeder, der denkt, er könnte sich auf die allgemein gültige Lehrmeinung verlassen, sollte diesen Text über John Yudkin lesen.
Yudkin war britischer Professor für Ernährung, der sich 1972 besorgt über den Zucker in der Ernährung äusserte. Er sagte, wenn Zucker wie jeder andere Lebensmittelzusatz behandelt werden würde, „wäre dieser Stoff sofort verboten“. Er sagte Zucker, nicht Fett, ist die wahrscheinlichere Ursache für Fettleibigkeit/Adipositias, Herzerkrankungen und Diabetes.

 

Für seine Bemühungen wurde Yudkin als Lockvogel für die Fleisch- und Milchindustrie gebrandmarkt. Seine Arbeit wurde als “emotionale Behauptungen”, „erfundene Geschichte“  und „völliger Unsinn“abgetan. Zeitungen lehnten es ab, seine Arbeiten zu veröffentlichen. Er wurde nicht zu Ernährungskongressen eingeladen und wurde von der wissenschaftlichen Gemeinschaft lächerlich gemacht.

“Prominente Ernährungswissenschaftler haben zusammen mit der Lebensmittelindustrie seinen Ruf zerstört, und seine Karriere hat sich nie wieder erholt”, schreibt Ian Leslie in einem längeren Artikel mit dem Titel “The Sugar Conspiracy” (Die Zucker-Verschwörung), der kürzlich im „Guardian“ (Der Wächter – Journal) veröffentlicht wurde.

Ernährungswissenschaftler, so Leslie, hätten entschieden, dass Fett in der Ernährung der Feind einer guten Gesundheit sei, was zu einem großen Teil auf einer 1970 erschienenen Sieben Länder Studie beruht, die 12.770 Männer mittleren Alters in Ländern von den USA bis Jugoslawien untersuchte.

“Die Studie der Sieben Länder wurde anerkannt und die Fetthypothese wurde in offiziellen Ratschlägen verankert”, schreibt Leslie.

1980 gab die US-Regierung ihre ersten Ernährungsrichtlinien heraus, in denen das Land aufgefordert wurde, gesättigte Fette und Cholesterin zu reduzieren, und die Amerikaner  folgten pflichtbewusst. Das war genau die Zeit, als die Adipositasrate in die Höhe schnellte.

 

Während sich die Adipositasrate in dem Zeitraum von 1960 bis 1980 (von 13% auf 15%) kaum geändert hat, sprang die Rate in den folgenden 2 Jahrzehnten (1980 – 2000) auf 35%.

“Im besten Fall können wir feststellen, dass die offiziellen Richtlinien ihr Ziel nicht erreicht haben, im schlimmsten Fall haben sie zu einer jahrzehntelangen Gesundheitskatastrophe geführt”, schreibt Leslie.

Ernährungswissenschaftler beginnen erst jetzt zähneknirschend zuzugeben, dass ihre Herangehensweise an die Ernährungsrichtlinien falsch gewesen sein könnte und dass Yudkins Arbeit erst jetzt wiederentdeckt wird. So hat beispielsweise die Bundesregierung unlängst eingeräumt, dass mit dem Verzehr von Cholesterin nichts verkehrt ist.

Also warum wurden die Wissenschaftler nicht schon viel eher so schlau?

Leslie weist zu Recht darauf hin, dass “die wissenschaftliche Forschung trotz der Patina reiner Objektivität zu den ewigen Regeln des menschlichen sozialen Lebens neigt: Ehrerbietung gegenüber dem Charismatischen, Haltung gegenüber der Mehrheitsmeinung, Bestrafung für Abweichung und intensives Unbehagen gegenüber dem Irrtum.”

 

Das heißt nicht, dass die wissenschaftlichen Methoden ihre Fehler eventuell nicht berichtigen, aber der Ablauf ist nicht schnell oder schmerzlos.

Als zum Beispiel eine Großstudie herausgefunden hat, dass eine fettarme Diät keinen positiven Effekt auf die Gesundheit von Frauen hatte, „hat sich schnell ein Konsens gebildet, dass diese Studie, die  von zugelassenen Forschern sorgfältig geplant, großzügig finanziert, eindrucksvoll beaufsichtigt wurde.– so fehlerhaft wie sinnlos gewesen sein muss.“ bemerkte Leslie.

Yudkin`s Zwangslage sollte ein abschreckendes Beispiel für jeden sein, der denkt, er folgt blind einer allgemein anerkannten Lehrmeinung. Besonders, wenn es sich um außergewöhnlich, komplizierte Bereiche wie den menschlichen Körper handelt, oder wenn die allgemeine Meinung dazu benutzt wird, öffentliche Richtlinien zu erzwingen, die eine große Bevölkerung beeinflussen könnten.

 

Es ist nicht so, als ob das gesamte Übergewichtsproblem der Nation das Ergebnis der fehlerhaften Ernährungsberatung ist – viele andere Faktoren sind am Werk.

Dennoch hätten Ernährungsberater noch vor vier Jahrzehnten auf einen Fett-Ignorierer wie Yudkin gehört, hätten wir vielleicht das Ausmaß der heutigen Adipositas-Epidemie vermieden, die Millionen von Leben gefordert hat.